• 12.03.2024
      20:15 Uhr
      Volt statt Weizen? Vom Landwirt zum Energiewirt | rbb Fernsehen
       

      Trotz "Goldgräberstimmung" in der Solarbranche: Bauern, Kommunen und Investoren kämpfen mit Konflikten.
      Obwohl in ganz Deutschland Investoren nach Freiflächen für neue Photovoltaikanlagen fahnden, tun sich vielerorts die Beteiligten mit den nötigen Entscheidungen schwer. Denn was den Ausbau der erneuerbaren Energien voranbringen soll, hat auch Schattenseiten. Auch im Norden sehen sich Landwirte, Landbesitzer und Kommunen vor der schwierigen Alternative: Sollen sie weiter Nahrungsmittel anbauen oder lieber auf sauberen Strom setzen?

      Dienstag, 12.03.24
      20:15 - 21:00 Uhr (45 Min.)
      45 Min.

      Trotz "Goldgräberstimmung" in der Solarbranche: Bauern, Kommunen und Investoren kämpfen mit Konflikten.
      Obwohl in ganz Deutschland Investoren nach Freiflächen für neue Photovoltaikanlagen fahnden, tun sich vielerorts die Beteiligten mit den nötigen Entscheidungen schwer. Denn was den Ausbau der erneuerbaren Energien voranbringen soll, hat auch Schattenseiten. Auch im Norden sehen sich Landwirte, Landbesitzer und Kommunen vor der schwierigen Alternative: Sollen sie weiter Nahrungsmittel anbauen oder lieber auf sauberen Strom setzen?

       

      Trotz "Goldgräberstimmung" in der Solarbranche: Bauern, Kommunen und Investoren kämpfen mit Konflikten.

      Obwohl in ganz Deutschland Investoren nach Freiflächen für neue Photovoltaikanlagen fahnden, tun sich vielerorts die Beteiligten mit den nötigen Entscheidungen schwer. Denn was den Ausbau der erneuerbaren Energien voranbringen soll, hat auch Schattenseiten. So verstärkt die Jagd auf mögliche Nutzflächen den Konkurrenzdruck auf Agrarflächen, treibt Pachtpreise nach oben und lässt fruchtbare Äcker und Wiesen unter dunklen Paneelen verschwinden. Auch im Norden sehen sich Landwirte, Landbesitzer und Kommunen vor der schwierigen Alternative: Sollen sie weiter Nahrungsmittel anbauen oder lieber auf sauberen Strom setzen?

      Die Reportage der NDR Autoren Simon Hoyme und Ute Jurkovics verfolgt, wie in zwei Gemeinden in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern um diese Frage gestritten wird. Im holsteinischen Pronstorf nahe Lübeck will der Gutsbesitzer und Landwirt Caspar Graf zu Rantzau auf einem Teil seiner Felder Solarstrom erzeugen. Rund 90 Hektar würde er gerne mit Sonnenkollektoren versehen. Zwar ist auch der Gemeinderat mehrheitlich dafür, doch ein Bürgerentscheid stoppte das Projekt. Vorerst. Der Graf setzt weiter auf seine Ausbaupläne und will mit den Einnahmen seinen Hof fit für die Zukunft machen. Vielen Bürgern der Gemeinde aber erscheint die geplante Anlage zu groß. Sie wollen kleinere Solarfelder durchsetzen und an den Erlösen beteiligt werden.

      Im 400-Seelen-Ort Stretense, einem Vorort der Stadt Anklam in Vorpommern, soll Ende des Jahres mit dem Bau eines gigantischen Solarparks begonnen werden, dem größten der Region. Noch wachsen auf der rund 300 Hektar großen Fläche Kartoffeln. Das Land gehört einem bayerischen Saatgutunternehmen. Auch der Investor, die Firma Anumar, stammt aus Bayern. Seit etwa drei Jahren wird um das Projekt gerungen. Mit Demonstrationen und Unterschriftensammlungen wehrten sich die Bewohner von Stretense gegen das Solarfeld an ihrem Ortseingang. Anklams Stadtrat hat das Projekt trotzdem beschlossen. Nun läuft das Genehmigungsverfahren. Die Befürworter argumentieren mit Gewerbesteuereinnahmen in Millionenhöhe und mit Klimaschutz. Die Stretenser wollen den Kartoffelanbau behalten und fühlen sich von Energieanlagen umzingelt. Denn in Dorfnähe gibt es bereits einen Windpark, einen Solarpark, ein kleineres Solarfeld ist zusätzlich geplant.

      Die Konflikte in Stretense und Pronstorf stehen symptomatisch für das, was sich derzeit in zahlreichen Gemeinden abspielt, ausgelöst auch von der Bundespolitik. So will die Bundesregierung das Ausbautempo für Photovoltaik bis 2026 auf 22 Gigawatt pro Jahr verdreifachen, um die Klimaziele bei zugleich steigendem Stromverbrauch zu erreichen. Die Anlagen sollen jeweils zur Hälfte auf Gebäude- und Freiflächen errichtet werden. Laut dem Braunschweiger Thünen-Institut werden dafür bis 2040 neben bereits versiegelten Flächen 280.000 Hektar Agrarland benötigt. Das entspricht 1,8 Prozent der derzeit landwirtschaftlich genutzten Fläche. Abhängig vom Wirkungsgrad der installierten Paneele kann sich der Flächenbedarf auf bis zu Vier Prozent des Agrarlands erhöhen. Dabei liegt die Entscheidung, ob landwirtschaftlich genutzte Ländereien für die Solar-Ernte bebaut werden dürfen, bei den Gemeinden.

      Ehrenamtliche Kommunalpolitiker stehen dabei häufig finanzstarken Investoren mit großen Rechtsabteilungen gegenüber und müssen sich mit Gutachten und komplizierten Vertragswerken auseinandersetzen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) sagt dazu in der NDR Dokumentation, er setze auf Beratung und Leitfäden. "Den Kommunen das jetzt wegzunehmen, wie es bei der Windplanung häufig passiert ist, erscheint mir bei Photovoltaik zu früh oder gar nicht richtig", so Habeck.

      Am Ende lenkt der Film den Blick auf eine dritte Möglichkeit, der die Konflikte womöglich entschärfen könnte: Agri-Photovoltaik. Dabei werden Solarpaneele mit so viel Bodenabstand angelegt

      , dass darunter weiterhin Landwirtschaft möglich bleibt, von Mutterkuh- und Kälber- oder Geflügelhaltung bis zum Anbau von Obst, Gemüse, Wein oder Arzneipflanzen.

      In Deutschland steckt diese Technologie noch in den Kinderschuhen. Doch ein Versuchsfeld im brandenburgischen Rathenow demonstriert, was möglich ist. Unten grasen Kühe, scharren Hühner, wachsen Himbeeren, Kartoffeln oder Kohlrabi. Darüber wird Strom geerntet. Der Landwirt profitiert dabei sowohl von der Energieerzeugung als auch von den Erträgen seines Anbaus.

      Doch viele Bauern zögern, in Agri-Photovoltaik zu investieren und ihre Bewirtschaftung anzupassen. "Gefragt sind Ackerhelden, die sich zutrauen, Landwirtschaft und Energiewirtschaft zu kombinieren", sagt Peter Schrum, Geschäftsführer der Betreiberfirma SUNfarming.

      Film von Simon Hoyme und Ute Jurkovics

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