• 12.02.2013
      20:15 Uhr
      The Brussels Business Wer steuert die Europäische Union? | arte
       

      In Brüssel sind etwa 2.500 Lobbying-Organisationen ansässig, für die rund 15.000 Lobbyisten tätig sind. Doch die Bemühungen um mehr Transparenz auf diesem Gebiet waren in Europa bisher vergebens. Der Vorstoß, eine Pflicht zur Registrierung von Lobbyisten - wie in den USA - einzuführen, scheiterte bisher. Das vorhandene Register ist freiwillig - und damit wirkungslos.

      Dienstag, 12.02.13
      20:15 - 21:30 Uhr (75 Min.)
      75 Min.
      HD-TV Stereo

      In Brüssel sind etwa 2.500 Lobbying-Organisationen ansässig, für die rund 15.000 Lobbyisten tätig sind. Doch die Bemühungen um mehr Transparenz auf diesem Gebiet waren in Europa bisher vergebens. Der Vorstoß, eine Pflicht zur Registrierung von Lobbyisten - wie in den USA - einzuführen, scheiterte bisher. Das vorhandene Register ist freiwillig - und damit wirkungslos.

       

      Stab und Besetzung

      Regie Friedrich Moser, Matthieu Lietaert

      In Brüssel sind rund 2.500 Lobby-Organisationen angesiedelt und bilden die zweitgrößte Lobby-Industrie der Welt; nur die in Washington DC ist größer. Rund 15.000 Lobbyisten scheuen weder Kosten noch Mühen, um die Kommission und die Parlamentarier intensiv über die Bedürfnisse der Interessenverbände zu informieren. Rund 80 Prozent der gesamten Gesetzgebung, die direkten Einfluss auf den Alltag der Europäischen Bürger hat, wird hier initiiert.

      "Die EU-Gesetzgebung ist kompliziert, sie durchläuft viele Stufen", erklärt Olivier Hoedeman, Gründer von Corporate Europe Observatory. "Alles beginnt mit der Europäischen Kommission. Dort werden neue Anträge für Gesetze und Richtlinien entworfen, welche dann die Institutionen durchlaufen - das Parlament und den EU-Ministerrat. Vom Moment an, in dem die Europäische Kommission erste Schritte zu neuen Gesetzen und Richtlinien unternimmt, ist die Industrie vor Ort um sie zu beeinflussen."

      Filmemacher Friedrich Moser und Matthieu Lietaert wollen verstehen, wer in der EU in Wirklichkeit die Strippen zieht. Ihr Dokumentarfilm macht sich dabei auf eine kriminalistische Spurensuche und befragt Unternehmer, Lobbyismus-Kritiker, Aktivisten, EU-Kommissare und Wissenschaftler.

      Die Bemühungen, den Lobbyismus in der EU zu regulieren, stießen zunächst auf wenig Resonanz. Dann geschah im Winter 2004/2005 etwas Unerwartetes: Siim Kallas, EU-Kommissar aus Estland, zuständig für Verwaltung, griff das Thema auf. Im Zuge der Europäischen Transparenzinitiative sollte der Lobbyismus in Brüssel streng reguliert werden - ein Pflichtregister, Auskunftspflicht, Offenlegung der Geldflüsse. Nach drei Jahren politischer Streitereien und Bemühungen stellte Siim Kallas schließlich im Sommer 2008 das Lobby-Register vor. Doch die Enttäuschung war groß: Das Lobby-Register war freiwillig - und damit völlig zahnlos.

      Im Oktober 2008, einen Monat nach Ausbruch der weltweiten Finanzkrise, ernannte Kommissionspräsident José Manuel Barroso eine unabhängige hochrangige Gruppe zur Aufsicht der Finanzmärkte. Ihre Aufgabe ist die Regulierung dieser Märkte, um einen Weg aus der Krise zu finden. Doch bei näherem Hinsehen entpuppt sich diese Gruppe von acht "EU-Weisen" als gar nicht so unabhängig: drei der acht Weisen sind direkt mit jenen US-Banken verbandelt, die die Krise ausgelöst haben. Der Kopf der Gruppe ist Vorsitzender einer großen Finanzlobby. Steht nach 20 Jahren Deregulierung und Liberalisierung die Europäische Union selbst plötzlich am Rande des Zusammenbruchs? Und steht nicht vielmehr die Demokratie selbst auf dem Spiel, und mit ihr jene Werte, die uns teuer sind?

      Themenabend: Die Macht der Lobbyisten

      Nicht alle Europäer sind Europa-müde. 15.000 Lobbyisten wuseln fleißig durch das Brüsseler Europa-Viertel, um die Politiker dort auf die richtigen Gesetzesschienen zu heben und die Geschäftsbahnen für die globalen Interessen ihrer international agie-renden Auftraggeber freizuräumen.
      Ebenfalls kämpfen dort ganz unermüdlich einige Aktivisten für mehr Transparenz bei diesen "Brüsseler Spitzen-Geheimnisse", weil sie der Überzeugung sind, dass der europäische Gedanke aus mehr als nur aus wirtschaftlichen Interessen besteht - und dass die EU-Bürger und -Bürgerinnen ein Recht auf Transparenz haben, als eine der Grundvoraussetzungen für Demokratie. "Wenn in den Ministerien nicht mehr Beamte, die auf das Gemeinwohl verpflichtet sind, an Gesetzen arbeiten, sondern Inte-ressenvertreter, dann können weder das Parlament noch die Öffentlichkeit mehr durchschauen, was die Zielrichtung dieses Gesetzes ist und was das Gesetz begründet hat, "und das ist nicht gut und nicht richtig", erklärt Christine Hohmann-Dennhardt, ehemalige Richterin am Deutschen Bundesverfassungsgericht das Problem in einem Interview.
      Mitten in der EU-Krise greift ARTE eine politisch brisante Frage auf, die viele Europäer beschäftigt: Warum erfahren wir als Öffentlichkeit nicht, wer die politischen Entscheidungen in Europa zu beeinflussen versucht? Wäre nicht mehr Transparenz notwendig, um das Treiben der Lobbyisten und damit deren Einflussnahme auf die Meinungsbildung der Politiker besser nach-vollziehen zu können?

      Der Dokumentarfilm "Brüssels Business - Wer steuert eigentlich die Europäische Union" und die Reportage "Im Vorzimmer der Macht" beobachten Lobbyisten bei ihrer Arbeit in Brüssel, Berlin und Paris, aber auch Aktivisten, die sich für mehr Transparenz einsetzen.

      Die Web-Plattform "We R Democracy - Wir sind Demokratie" lädt die User ein, selbst Lobbyist zu "spielen" und die politischen Entscheidungen in Brüssel direkt zu beeinflussen - gelebte Demokratie also!

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