Energieproduktion und -nutzung werden immer mehr zu ethischen Grundsatzfragen unserer Gesellschaft. Sie sind eine Grundbedingung für die menschliche Existenz. Gleichzeitig aber gefährden sie unsere Existenzgrundlage. Kann die christliche Ethik helfen, diesen Widerspruch zu lösen?
Energieproduktion und -nutzung werden immer mehr zu ethischen Grundsatzfragen unserer Gesellschaft. Sie sind eine Grundbedingung für die menschliche Existenz. Gleichzeitig aber gefährden sie unsere Existenzgrundlage. Kann die christliche Ethik helfen, diesen Widerspruch zu lösen?
Ethik wird heute als eine philosophische Disziplin verstanden, deren Aufgabe es ist, Kriterien für gutes und schlechtes Handeln aufzustellen. Darüber hinaus soll eine Bewertung der entsprechenden Motive und Folgen aufgestellt werden. Auf dieser Grundlagendisziplin fußt jede angewandte Ethik, die sich als Individualethik und Sozialethik mit den normativen Problemen spezifischer Lebensbereiche befasst. So auch mit den aktuellen, für die Menschheitsgeschichte eher neuen Problemen und Fragestellungen moderner Energienutzung.
Interdisziplinäre Ausrichtung
Die christliche Ethik hat das Selbstverständnis und die Struktur der westlich geprägten Staaten und Kulturen in wesentlichen Teilen geprägt. Doch stellt sich die Frage, wie sich diese Ethik zur wissenschaftlichen Reflexion ethisch relevanter Probleme und nicht zuletzt zur Wissenschaft selbst verhält. Ethik bedarf angesichts neuartiger Herausforderungen in den Bereichen Wissenschaft, Technik, Wirtschaft, Umwelt einer neuen Stoßrichtung. Es geht nicht nur um eine sachgerechte Analyse, sondern auch um eine interdisziplinäre Ausrichtung.
Der Glaube an die Göttliche Offenbarung als ethisches Fundament
Die theologische Ethik - dazu zählen auch jüdische, islamische oder griechisch-orthodoxe - unterscheidet sich in ihrem klassischen Selbstverständnis von der philosophischen Ethik. Während diese allein auf das Prinzip der Vernunft baut, sieht die christliche Ethik die sittlichen Prinzipien in Gottes Willen begründet. Damit wird der Glaube an eine göttliche Offenbarung voraussetzt. Und trotzdem - oder vielleicht genau deshalb - muss sich die Ethik mit konkreten Fragen der menschlichen Lebenswirklichkeit befassen. Während ein technischer Zugang von physikalischen Gesetzen und Schaltkreisen ausgeht oder sich die Wirtschaft auf Kurvendiskussionen und Fallstudien bezieht, setzt die theologische Ethik fundamentale normative Grundlagen der Lebenswirklichkeit voraus.
Von der Existenzsicherung zur Existenzgefährdung
Für das Themenfeld der Energienutzung, des Energieverbrauchs und künftigen Energiebedarfs bedeutet das eine schwierige Auseinandersetzung damit, was der Mensch wirklich braucht und was er für diese Bedürfnisse zu tun bereit ist. Dabei geht es um einen nachhaltigen und umwelt- sowie sozialgerechten Umgang des Menschen mit den für seine Existenz lebensnotwendigen Mitteln. Die Energienutzung stellt zwar hierbei nicht das einzige Problem dar, aber es ist eines der wichtigsten, da sich hierin die Fragen und Probleme des menschlichen Umgangs mit seinen "Lebensmitteln" fokussieren.
Verantwortung für die Nachkommenden
Die Position der theologischen Ethik relativiert und präzisiert das oft pauschal formulierte Argument vom Herrschaftsanspruch des Menschen über die Schöpfung: An vorderster Stelle ist die Unversehrtheit der natürlichen Welt zu achten; Umwelt, Tiere und Pflanzen sind von Natur aus zum gemeinsamen Wohl der Menschheit bestimmt. Die Bodenschätze, Ressourcen und Energieträger dürfen nicht ohne Rücksicht auf sittliche Forderungen genutzt werden. So ist die Herrschaft über die belebte und die unbelebte Natur, die der Mensch übernommen hat, nicht absolut. Sie muss sich messen lassen an der Sorge um die Lebensqualität der miteinander lebenden Menschen. Und - das ist der entscheidende Punkt - dazu zählen auch die künftigen Generationen.
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