• 25.08.2012
      11:00 Uhr
      alpha-Campus CLASSICS Spurengase - Klimakiller aus dem Boden | ARD alpha
       

      CO-2-Reduktion war das große Ziel der bisherigen globalen Weltklimakonferenzen. Doch selbst wenn es gelingen sollte, die Kohlendioxidemissionen drastisch einzudämmen, drohen noch gefährlichere Klimagase die globale Erwärmung weiter anzutreiben: die viel selteneren Spurengase Lachgas und Methan.
      Seit Beginn der industriellen Revolution ist ihre Konzentration kontinuierlich angestiegen - und sie steigt weiter. Während Methan hauptsächlich in der Massentierhaltung, in Kläranlagen und auf Müllhalden entsteht, kommt Lachgas aus dem Boden.

      Samstag, 25.08.12
      11:00 - 11:30 Uhr (30 Min.)
      30 Min.
      Stereo

      CO-2-Reduktion war das große Ziel der bisherigen globalen Weltklimakonferenzen. Doch selbst wenn es gelingen sollte, die Kohlendioxidemissionen drastisch einzudämmen, drohen noch gefährlichere Klimagase die globale Erwärmung weiter anzutreiben: die viel selteneren Spurengase Lachgas und Methan.
      Seit Beginn der industriellen Revolution ist ihre Konzentration kontinuierlich angestiegen - und sie steigt weiter. Während Methan hauptsächlich in der Massentierhaltung, in Kläranlagen und auf Müllhalden entsteht, kommt Lachgas aus dem Boden.

       

      Vor allem intensiv landwirtschaftlich genutzte, aber auch naturbelassene Böden setzen das Gas frei. Schon in minimalen Konzentrationen ist der Treibhauseffekt gewaltig. Lachgas, chemisch N2O, ist genau wie CO2 geruchlos und unsichtbar, aber als Klimagas wirkt es 300 mal stärker als Kohlendioxid! Außerdem bleibt Lachgas viel länger in der Atmosphäre: über hundert Jahre. Dort abgebaut wird es erst über eine chemische Reaktion, die zu allem Übel noch die Ozonschicht zerstört.

      Klimakiller Düngemittel
      Intensiv gedüngte Böden sind die Hauptquelle der N2O-Emissionen. Der Abbau des wichtigsten Pflanzennährstoffs Nitrat, die Denitrifikation, setzt Lachgas frei. Ein natürlicher Prozess, und aus der Nahrungsmittelproduktion nicht wegzudenken. Doch Professor Jean Charles Munch vom Helmholtz Zentrum für Gesundheits- und Umweltforschung hofft, dass sich die Lachgasbilanz der Landwirtschaft wenigstens verbessern lässt. Seine Arbeitsgruppe untersucht die Stoffkreisläufe zwischen Boden, Pflanze und Atmosphäre. Auf Versuchsfeldern im Kloster Scheyern messen die Bodenfoscher Temperatur und Feuchtigkeit in verschiedenen Bodentiefen und fangen alle Gase ein, die aus dem Boden strömen. Sie wollen wissen wo und unter welchen Bedingungen wieviel N2O entsteht. Wenn viel Nitrat und viel Wasser im Boden sind, wachsen nicht nur die Pflanzen gut. Auch Mikroorganismen werden dann aktiv - und produzieren Lachgas. Aber schon in einem einzelnem Feld ist der Boden je nach Lage ganz unterschiedlich temperiert und durchfeuchtet und der Lachgasausstoß schwankt stark.

      Entscheidend sind offenbar Menge und der Rhythmus der Düngung in Abhängigkeit von den Wetterbedingungen. Eindeutige Empfehlungen an die Landwirtschaft können die Wissenschaftler aber noch nicht geben. Die Pflanzen brauchen Nährstoffe vor allem, wenn sie wachsen oder ihre Frucht ausbilden. Herrscht dazu gerade die richtige Temperatur, aber der Boden ist zu nass, dann steigen die Lachgas-Emissionen. Ideal wäre es daher, oft kleine Mengen zu düngen. Das würde den Anbau aber verteuern.

      Problem: Maschineneinsatz in der Landwirtschaft
      Das gleiche Dilemma beim Maschineneinsatz: Lockere Böden produzieren weniger N2O. Wo große Erntemaschinen den Boden verdichten, emmitiert der Boden das meiste Lachgas. Doch sie sparen Zeit und Personal. Die Bodenforscher untersuchen auch den direkten Vergleich von Ökolandbau und konventioneller Landwirtschaft, aber die Lachgasbilanz ist hier noch offen.
      Der Boden - eine fremde Welt

      Die größte Unbekannte in allen Rechnung ist der Boden selbst: eine fremde Welt, jede Krume dicht besiedelt von noch völlig unbekannte Arten von Bakterien und Pilzen. In den Labors des Münchener Helmholtzzentrums untersucht Dr. Michael Schloter die Umweltforscher Bodenproben mit modernster Gentechnik. Doch in nur einem Gramm Boden leben 10000 -50000 Arten, die sich nicht einzeln untersuchen lassen. So setzen die Forscher auf eine Art genetische Volkszählung, die allerdings erst ganz am Anfang steht. Sie extrahieren die gesamte DNS der Milliarden Bodenorganismen gemeinsam und suchen darin nach interessanten Bruchstücken. Schon dafür müssen die Bioinformatiker am Forschungszentrum für jede Probe hunderte mal so viel Erbinformationen verarbeiten wie bei der Entschlüsselung eines menschlichen Genoms. Die komplette Sequenzierung eines Gramms Boden ist heute noch völlig ausgeschlossen.

      Stickstoff aus Wald- und Moorböden
      Im bayerischen Fichtelgebirge haben Wissenschaftler eine andere Spur aufgenommen. Auch in Wald- und Moorböden entstehen Klimagase. Wieviel N2O und Methan Waldflächen abgeben - und warum überhaupt - erforscht eine Arbeitsgruppe um Professor Gerhard Gebauer mit modernster Kriminaltechnik, der Isotopen-Biogeochemie. Isotope sind chemisch gleiche aber unterschiedlich massereiche Varianten eines Elements, also etwa Stickstoff mit sieben oder acht Neutronen im Kern. Wenn Bakterien Lachgas bilden, nehmen sie bevorzugt das leichtere Isotop auf, sein Anteil im Lachgas wächst. Über die Veränderung der Isotopenverteilung können die Forscher dann sehen, ob in bestimmten Bodenbereichen Lachgas gebildet oder verbraucht wird.

      Klimasimulationen
      Auf dieser Basis simulieren die Geobiochemiker künftige Folgen des Klimawandels. Sie überdachen den Waldboden, um lange Trockenperioden zu herzustellen oder erzeugen Dauernässe wie bei starken Regenfällen oder entfernen im Winter die Schneedecke. Ihre Sorge: Ein zunehmend häufiger Wechsel von trockenen und nassen Phasen oder von Frost- und Auftauperioden könnte die Spurengas-Emission deutlich erhöhen. Tatsächlich verhält sich der überdachte Waldboden während der Trockenperiode lange Zeit wie erwartet: die Lachgasproduktion geht gegen Null geht. Doch dann beobachten sie, dass die Lachgasflüsse negativ werden, dass der Boden statt N2O zu emittieren, N2O aus der Atmosphäre aufgenommen hat.

      Waldböden als Senke für Lachgas
      Dass Waldböden - zumindest in gemäßigten Breiten - eine Senke für Lachgas bilden können, war in der Klimaforschung eine kleine Sensation, für die Gebauers damalige Doktorandin Stefanie Goldberg mit inzwischen drei wissenschaftlichen Auszeichungen geehrt wurde: Isotopenpreis 2009, Preis des Universitätsvereins Bayreuth für die beste Dissertation an der Universität Bayreuth und der Preis der Stiftung Else Mayer. Die Entdeckung ist umso wichtiger als die bisherigen globalen Lachgasbilanzen Fehlerquoten von rund 30% aufweisen.

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