• 25.11.2010
      14:00 Uhr
      alpha-Forum Wissenschaft Bakterien, Viren, Keime - Krankmacher im Krankenhaus - Moderation: Petra Herrmann | ARD alpha
       

      Über eine halbe Million Menschen infizieren sich groben Schätzungen zufolge jährlich in deutschen Kliniken mit gefährlichen Keimen und Bakterien. 10.000 bis 20.000 Patienten sterben daran.

      Donnerstag, 25.11.10
      14:00 - 14:45 Uhr (45 Min.)
      45 Min.
      Stereo

      Über eine halbe Million Menschen infizieren sich groben Schätzungen zufolge jährlich in deutschen Kliniken mit gefährlichen Keimen und Bakterien. 10.000 bis 20.000 Patienten sterben daran.

       

      Stab und Besetzung

      Moderation Petra Herrmann
      Redaktion Martin Posselt

      Der Grund: Mangelnde Hygiene auf den Stationen, im Operationssaal und bei der Reinigung medizinischer Geräte. Aber sollte nicht gerade im Krankenhaus besondere Sorgfalt auf die Einhaltung hygienischer Standards gelegt werden? Regelwerke und Verordnungen gibt es zur Genüge, doch werden diese nicht immer befolgt - beklagen Kritiker. Was muss also passieren, damit Klinikskandale wie in Mainz und München in Zukunft verhindert werden?

      Der Begriff Hygiene kommt vom griechischen "hygieia", der Göttin der Gesundheit, und gilt als die Lehre von der Gesunderhaltung des Einzelnen und der Allgemeinheit. Wie diese Lehre in Deutschland umgesetzt werden soll, ist im bundesweit geltenden Infektionsschutzgesetz geregelt. Trotzdem haben einzelne Bundesländer eigene Hygieneverordnungen erlassen. Auch in Bayern tritt in Kürze eine neue Verordnung in Kraft. Doch ob das wirklich gegen verkeimte Infusionen und dreckiges OP-Besteck hilft, ist nach Meinung von Klinikexperten fraglich. Hygiene, die nur auf dem Papier geregelt ist, bringt den Patienten im Klinikalltag wenig. Nur wenn die Krankenhausmitarbeiter richtig geschult sind und das Wissen in der täglichen Praxis umsetzen, können gefährliche Infektionen vermieden werden.

      Dabei hat richtige Hygiene im Krankenhaus nicht nur mit Saubermachen und Desinfizieren zu tun. Es ist nicht das Staubkorn in der Ecke, das Infektionskrankheiten verursacht. Hygienestandards klinikübergreifend zu überwachen und auf Missstände hinzuweisen, ist Aufgabe des so genannten "Hygienearztes". Ein Luxus, den sich jedoch nicht jedes Krankenhaus leisten möchte. Hinzu kommt, dass inzwischen viele große Kliniken ihre mikrobiologischen Institute auslagern, sodass die eigentliche Hygiene-Kontrolle gar nicht mehr vor Ort abläuft. Wenn dann beispielsweise ein Erreger auf mehrere Stationen verteilt ist, kann es durchaus ein bis zwei Wochen dauern, bis die Ursache gefunden ist.

      Wird das Thema Hygiene im Krankenhaus - vielleicht sogar in der gesamten Gesellschaft vernachlässigt - weil es inzwischen zu selbstverständlich erscheint? Tatsache ist: Das Bewusstsein und der Umgang mit Hygiene haben sich im Laufe der Geschichte gewandelt. Früher gingen die Menschen davon aus, dass die Luft infiziert ist und der Mensch erst sekundär durch das Einatmen dieser "infizierten Luft" erkrankt. Gegen Ende des 19. Jahrhundert hat sich diese Vorstellung geändert. Man fand heraus, dass es Keime gibt - gegen die man sich schützen kann. Von verbindlichen Hygienestandards aber waren die Menschen noch weit entfernt. Als einer der ersten hat der Wiener Klinikarzt Ignaz Semmelweis eingeführt, dass sich Ärzte in der Geburtshilfeklinik die Hände mit Chlorkalk waschen sollten. Er stieß zunächst auf erhebliche Widerstände. Trotzdem konnte er die Anzahl an Frauen, die am Kindbettfieber starben, erheblich senken. Das Zeitalter der Keimfreiheit hatte begonnen.

      Im Krankenhaus entscheidet strikte Hygiene über Leben und Tod. Im Haushalt dagegen kann ein Zuviel an Reinlichkeit sogar schädlich sein. Je intensiver Eltern Wohnung und Haus desinfizieren, desto häufiger werden ihre Kinder später krank oder bekommen Allergien. Der Grund: Ihre Körper können im Kindesalter nicht genügend Abwehrstrategien aufbauen, ihnen fehlt die Grundimmunisierung. Ein weiteres Problem: Die häufige Einnahme von Antibiotika, auch bei harmlosen Erkrankungen wie Schnupfen oder grippalem Infekt. Viele Bakterien können dadurch Strategien entwickeln, um sich gegen Antibiotika zu wehren ein großes Problem, gerade im Krankenhaus.

      Wie viel Hygiene ist gut und notwendig? Was muss getan werden, um die Situation in den deutschen Kliniken zu verbessern? Darüber diskutiert Petra Herrmann mit Prof. Dr. Dr. Jürgen Heesemann vom Lehrstuhl für Bakteriologie am Max von Pettenkofer-Institut der LMU München, PD Dr. Heinz-Michael Just vom Institut für Klinikhygiene am Klinikum Nürnberg sowie mit dem Medizinhistoriker Prof. Dr. Dr. Michael Stolberg von der Universität Würzburg.

      In der Reihe alpha-forum Wissenschaft diskutieren Fachleute aktuelle Fragen aus Forschung und Lehre, Bildung und Erziehung. Dazu gehören beispielsweise die Chancen und Risiken neuer Technologien, deren Auswirkungen auf die Umwelt, Gründe für Konflikte und Veränderungen im Zusammenleben der Menschen, die Formung gesellschaftlicher und kultureller Identitäten, Fragen der Ethik und des Menschenbildes, aber auch die kritische Begleitung der deutschen Bildungslandschaft im europäischen und internationalen Vergleich.

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