• 27.02.2012
      22:00 Uhr
      Das Glück der Hausfrau (1) Zwischen Romantik und Windelwaschen | Radio Bremen TV
       

      Der Film folgt in fast versunkene Lebenswelten von Frauen in Ost- und Westdeutschland, und zeigt wie nah die Vergangenheit noch den heutigen Alltag von vielen Frauen prägt.

      Montag, 27.02.12
      22:00 - 22:45 Uhr (45 Min.)
      45 Min.

      Der Film folgt in fast versunkene Lebenswelten von Frauen in Ost- und Westdeutschland, und zeigt wie nah die Vergangenheit noch den heutigen Alltag von vielen Frauen prägt.

       

      Stab und Besetzung

      Regie Simone Jung
      Autor Simone Jung
      Redaktion Carola Meyer

      "Eine Hausfrau legt im Durchschnitt täglich neun Kilometer zurück; in vierzig Jahren geht eine Hausfrau mehr als drei Mal rund um die Erde!", das rechnete ein Werbespot aus den 50er Jahren nach. In der 2-teiligen Dokumentation "Das Glück der Hausfrau" erzählen wundervolle Frauen aus ihrer ganz persönlichen Perspektive von den Höhen und Tiefen des Hausfrauendaseins. Von der großen Wäsche, die anfänglich mühsam im befeuerten Kupferkessel gekocht und mit bloßen Händen ausgewrungen werden musste, ehe die ersten Maschinen Erleichterung brachten. Von ihren ersten Kochversuchen im frisch geründeten Hausstand, deren Folge Nudelbrei, verbrannte Koteletts oder versalzener Apfelkuchen waren. Von Prüderie und nicht erfolgter Aufklärung, die zum Rätsel um die Ursache der Schwangerschaft führte: Ob die Kinder aus dem Bauchnabel oder vom Küssen kommen?

      Die Frauen sind in den 40er- und 50er-Jahren geboren, Familie gründeten sie in den 60er- und 70er-Jahren. Mit ihren Stimmen stehen sie für eine ganze Generation. Die musste sich nicht nur am Ideal der perfekten Hausfrau abarbeiten, sondern auch an der rauen Wirklichkeit. Es war eine Frau, die bereits 1949 die Gleichberechtigung von Mann und Frau in das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland schreiben lies, doch im Alltag - vor allem im Westen Deutschlands - war für diese Frauen die Gleichberechtigung noch weit entfernt. Die Mutterschaft wurde als größtes Glück der Weiblichkeit gepriesen, zugebilligt wurden dem Weib die Wirkungsstätten Heim und Herd. Einher ging damit, dass ihr zumindest die Werbeindustrie gerne die Intelligenz absprach. So hieß es in der Reklame einer Firma für Backzutaten aus den Fünfzigern: "Eine Frau kennt zwei Lebensfragen: Was ziehe ich an? Und was koche ich heute?" Das Gesetz erlaubte es dem Ehemann, seiner Angetrauten das Arbeiten zu verbieten. Das Gesetz regelte ebenfalls, dass sie ihm jederzeit sexuell zur Verfügung stehen musste.

      In der DDR hingegen war die Gleichheit von Frau und Mann selbstverständlich. Frauen arbeiteten und verdienten ebenso viel wie Männer auf der gleichen Position. Doch wer erledigte nach getaner Arbeit den Haushalt? Wer kochte und putzte? Oft waren es die Frauen, die dann in zweiter Schicht den Haushalt schmissen. Schonungslos ehrlich und oft mit ironischer Distanz reflektieren die Frauen ihre jeweils ganz eigene, ideale Vorstellung von der Liebe, von der Ehe, von Familie und Status und wie sie dann die Wirklichkeit ihres Alltags als Hausfrau im Heim und am Herd einholte.

      Wenn Iris Bornmann davon erzählt, wie sie sich jahrelang den Wünschen der Schwiegereltern beugte, erschließt sich der Grad der Selbstentfremdung beider Geschlechter durch die Rollenbilder, die ihnen übergestülpt wurden. Erinnert Christa Hertzog ihre verzweifelten Versuche, der perfekten Ehefrau zu entsprechen, wird der gesellschaftliche Druck, der auf ihr und so vielen Frauen dieser Generation lastete, beklemmend nachvollziehbar.

      Um den gesellschaftlichen Kontext der Zeit damals erfassen zu können, gewähren die Frauen Einblick in ihre Kindheit, die ersten Schritte aus dem Elternhaus oder von der Berufstätigkeit in den eigenen vier Wänden und der Fähigkeit, aus wenig viel zu machen. Denn ehe der Aufschwung Wohlstand brachte, mussten fast alle mit wenig Geld und spärlichen Zutaten Mahlzeiten zubereiten, ihre Kleider selber nähen oder bei der Wohnungseinrichtung improvisieren. So stellte Hildegart Scheit aus zwei Luftmatratzen zwei Sessel für ihre neue Einraumwohnung her, so kürzten Ingrid Schubert und ihr Mann die Ehebetten, weil sie in der winzigen Dachwohnung, die sie nach der Heirat bezogen, nur hintereinander aufgestellt werden konnten.

      Liebevoll berichten die Frauen von den Freuden an der Entwicklung der Kinder, von der Anschaffung der ersten praktischen Haushaltsgeräten, die so viel Zeit einsparten, die dann aber gleich wieder futsch war, sie erzählen vom Glücksgefühl einer eigenen Familie und dass sie alles richtig und dem Mann zum Wohlgefallen machten. Doch nach Jahren der Hausfrauen- und Familienarbeit mit Kindergeschrei, Windelwaschen, mit mangelnder Wertschätzung und finanzieller Abhängigkeit wächst die Sehnsucht nach Anerkennung und nach etwas Eigenem. Dieser Sehnsucht gehen die Frauen auf ihre ganz persönliche Weise nach - durch den Wiedereinstieg in den Beruf, die Übernahme von Ehrenämtern oder eine neue Ausbildung - wodurch sich nicht selten auch das Verhältnis zwischen den Ehepartnern verändert. Wie bei Iris Bornmann oder Christa Hertzog folgt manchmal auch ein radikaler Schnitt, die Scheidung.

      Aufregend, den Frauen in ihre heute fast versunkenen Lebenswelten zu folgen. Denn was sie berichten, ist Teil unserer Prägung heute. Am Ende jedenfalls wird wohl niemand mehr der Ansicht sein, das bisschen Haushalt und Kindererziehung mache sich von allein. Weder damals noch heute.

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