• 16.01.2012
      23:00 Uhr
      Wir Reiseweltmeister - Deutschland macht Urlaub (1) Von "Balkonien" bis Bella Italia | Radio Bremen TV
       

      Nach 1945 sind Capri, die Adria oder Mallorca für die Deutschen noch fast so unerreichbar wie der Mond. Die Not im Alltag überdeckt alle Gedanken an einen Urlaub.

      Montag, 16.01.12
      23:00 - 23:45 Uhr (45 Min.)
      45 Min.
      Neu im Programm

      Nach 1945 sind Capri, die Adria oder Mallorca für die Deutschen noch fast so unerreichbar wie der Mond. Die Not im Alltag überdeckt alle Gedanken an einen Urlaub.

       

      Nur die Kinder dürfen in den Sommerferien manchmal zu Freunden und Bekannten aufs Land reisen. Es gibt zunächst auch kaum Unterkünfte, in den wenigen unzerstörten Hotels sind Besatzer oder Flüchtlinge einquartiert.

      Erst nach der Währungsreform geht es langsam aufwärts. Die Menschen haben wieder Geld, eine Urlaubsreise wird möglich: Zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit der Bahn dritter Klasse machen sich die Deutschen auf die Reise, meist in die nähere Umgebung, eine Woche höchstens, ohne Luxus. Der klassische Urlaub ist der Wanderurlaub, übernachtet wird auf Heuböden oder in Jugendherbergen. Der Schwarzwald und der Bayerische Wald sind beliebte Reiseziele, doch bald zieht es die Deutschen auch weiter weg in die Ferne.

      Annemarie und Karl-Heinz Paumen gehen von Düsseldorf aus mit Motorrad nebst Beiwagen und Steilwandzelt auf große Fahrt, zunächst in die Niederlande. "Die Nachbarn haben gesagt, wir wären Außenseiter, wir wären verrückt. Aber wir wollten einfach ein bisschen raus."

      Gretel Ausmeier, ein Sylter Inselkind, erlebt damals die ersten Gäste in der neu eröffneten Pension ihrer Mutter. Es gibt kein fließendes Wasser, alle Räume sind für die zahlenden Fremden reserviert. Sie sitzen sogar mit in der Küche: "Eindringlinge waren das für uns Kinder, die uns aus unseren Betten jagten!"

      Wo Bauern sind, ist die Versorgungslage besser. Viele fahren deshalb in die Voralpen, wo es bereits wieder gut zu essen gibt. Und es gibt dort noch etwas anderes, was in der Nachkriegszeit Mangelware ist: Männer im heiratsfähigen Alter, wie Hilde Wulff feststellt. Die junge Kielerin darf nach Ruhpolding in die Sommerfrische und verguckt sich in Toni Hörterer, ein echtes bayerisches Mannsbild. Sepp Buchauer, damals einer der ersten "Fremdenführer" in Ruhpolding, erzählt, welchen Schlag er bei den Touristinnen hatte.

      Flugreisen sind auch im Westen damals ein Privileg weniger Menschen. 1955 ist Margot von Engelmann-Rohde dabei, als die Lufthansa zu ihren ersten Flügen nach dem Krieg startet - als junge Stewardess. Damals war das ein ganz besonderer und sehr begehrter Beruf.

      Mit dem Wirtschaftswunder wird Italien immer mehr zum Sehnsuchtsurlaubsort der Deutschen. Das Land jenseits der Alpen lockt mit Sonne, Strand und Meer. Mit einem gebrauchten Opel Rekord und der Schmalfilmkamera macht sich der Wuppertaler Gerhard Gimpel auf den Weg über die Alpenpässe. Schlager, Pasta, "Papagalli", alles ist neu und aufregend und auch ein wenig unheimlich. So kurz nach dem Krieg sind die Deutschen nicht bei allen Italienern willkommen. Doch auch manche Ehe, wie die von Hans und Simonetta Krüger, nimmt dort bei einem Cappuccino ihren Anfang.

      "Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen ..." Was Matthias Claudius 1787 in einem Gedicht formulierte, gilt auch heute noch - zumal in einem Land, dessen Bewohner als Reiseweltmeister gelten.Über 150 Millionen Urlaubsreisen wurden 2010 in Deutschland gebucht und für das laufende Jahr rechnen die Tourismusforscher mit einem noch besseren Ergebnis. Da kommen viele Geschichten zusammen, schöne Erinnerungen, neue Erfahrungen, aber auch manche Pannen, die das Urlaubsglück hier und da trüben.

      Die dreiteilige SWR-Reihe "Wir Reiseweltmeister - Deutschland macht Urlaub" hat solche Geschichten aus dem Urlaub gesammelt, von 1945, als der Tourismus nach dem Krieg langsam wieder in Gang kam, bis heute. Urlauber gewähren Einblicke in ihre Fotoalben, Reisetagebücher und Amateurfilme, in denen sie ihre gewöhnlichen und außergewöhnlichen Erlebnisse an Traumstränden, auf Almwiesen und in abgeschiedenen Weltregionen festgehalten haben. Bestandteil der Reihe ist auch ein Blick in die Archive vieler Sendungen, die die Urlauber mit Ratschlägen und Berichten begleitet haben.

      Die Erzählungen der Zeitzeugen und der Blick in die unterschiedlichen Archive zeigen vor allem eines: Wie und wo die Deutschen Urlaub machten, ist ein Spiegelbild der Zeitgeschichte von den 40er Jahren bis heute. Vom 'Teutonengrill' über die 'Toskana-Fraktion' bis zum 'Ballermann', vom 'Freibadewesen' am Ostseestrand über die Pauschalreise nach Kuba bis zum 'nächsten Jahr am Balaton' - jedes Urlaubsziel ist eng mit politischen Großwetterlagen verknüpft und hatte seine zeitgeschichtliche Blüte, bis die Karawane weiterzog.

      Die SWR-Reihe 'Wir Reiseweltmeister - Deutschland macht Urlaub' ist eine vergnügliche Zeitreise, in der Zeitzeugen von außergewöhnlichen Momenten, einschneidenden Begegnungen, den Licht-, aber auch den Schattenseiten des Reisens erzählen. Darunter sind auch Prominente wie Jutta Speidel, Herbert Feuerstein und Wolfgang Stumph. Aus ihren Erzählungen und dem Material aus den Privat- und Fernseharchiven entsteht eine Geschichte des Urlaubs von 1945 bis heute, die zeigt, wie die Deutschen zu Reiseweltmeistern wurden.

      Wird geladen...
      Montag, 16.01.12
      23:00 - 23:45 Uhr (45 Min.)
      45 Min.
      Neu im Programm

programm.ARD.de © rbb | ARD Play-Out-Center || 20.03.2023