• 24.10.2011
      22:00 Uhr
      45 Min - Nachbar Türke Radio Bremen TV
       

      "45 Min" wirft in Hamburg, der Stadt mit dem höchsten Migrantenanteil in ganz Deutschland, einen Blick hinter die Fronten der Integrationsdebatte: Was läuft schief, was ist gut, was könnte besser sein - auf beiden Seiten?

      Montag, 24.10.11
      22:00 - 22:45 Uhr (45 Min.)
      45 Min.

      "45 Min" wirft in Hamburg, der Stadt mit dem höchsten Migrantenanteil in ganz Deutschland, einen Blick hinter die Fronten der Integrationsdebatte: Was läuft schief, was ist gut, was könnte besser sein - auf beiden Seiten?

       

      Stab und Besetzung

      Regie Claudia Wallbrecht
      Autor Claudia Wallbrecht
      Redaktion Carola Meyer

      Vor 50 Jahren begann offiziell die Zuwanderung türkischer Arbeiter nach Deutschland. Sie kamen zunächst als "Gastarbeiter", doch viele blieben. Fast drei Millionen Menschen türkischer Herkunft leben heute in Deutschland und haben, da sind sich liberale und konservative Wissenschaftler inzwischen einig, die größten Integrationsschwierigkeiten. Doch was heißt das eigentlich?

      Wer sich mehr Integration wünscht, kann nicht nur über Türken reden. "45 Min" trifft Jugendliche aus dem Problemstadtteil Hamburg-Horn und ehrenamtliche deutsch-türkische "Kiezläufer", die verhindern wollen, dass ihre Jungs auf die schiefe Bahn geraten. Der Film zeigt außerdem, wie der Alltag in einer Grundschule aussieht, in der Deutsch nur eine von 25 Muttersprachen ist. Ex-Drogendealer, Polizisten und Lehrer beschönigen die Probleme in ihren Vierteln nicht. Aber sie halten sie für lösbar.

      "Mehr Jumps, weniger Style", ruft Tanzlehrer Metin Demirdere dem 15-jährigen Miles zu. Jeden Freitag treffen sich junge Tänzer zwischen elf und 23 Jahren zum Training im evangelischen Jugendzentrum "Schorsch" in Hamburg-St. Georg. Ihre Eltern kommen aus der Türkei, aus Ghana, Afghanistan, Tunesien, von den Philippinen oder aus Deutschland. "Aber das ist total egal", sagt Tanzlehrer Metin, "hier geht es vor allem um das, was wir gemeinsam haben, und das ist die Liebe zur Musik und zum Breakdance." Einige der Jungs haben erst beim Tanzen entdeckt, was in ihnen steckt, und dass hartes Training und Disziplin ihnen auch in der Schule helfen und Selbstbewusstsein geben. Sie lieben es, ihre Grenzen auszutesten und die anderen in der Gruppe mit neuen, akrobatischen Figuren zu beeindrucken. Auch das kann ein Weg sein, sich Respekt zu verschaffen. Tanzlehrer Metin findet die ganze Integrationsdebatte problematisch, weil dabei immer nur das Trennende betont wird, der so genannte Migrationshintergrund. Was heißt das denn? Er selbst ist in Deutschland geboren, hat türkische Wurzeln, empfand sich immer als "Hamburger Jung". Und plötzlich hat er sich gefragt: "Bin ich eigentlich integriert?"

      Viele junge Migranten, die sich in Deutschland zu Hause fühlen, hat die Debatte um Thilo Sarrazins Buch verunsichert. Sie kämpfen sowieso täglich mit den Vorurteilen der Mehrheitsgesellschaft: in der Schule, bei der Arbeitssuche, auf der Straße. Immer, wenn ein Einzelner mit ausländischen Wurzeln eine Straftat begeht, fällt das auf alle anderen zurück. "Die Leute wechseln die Straße, die setzen sich in der S-Bahn nicht neben uns, weil wir irgendwie gefährlich aussehen", erzählen Emir und seine Freunde aus Hamburg-Horn. "Weil es Ausländer gibt, die andere abziehen, heißt es sofort, alle Ausländer sind so." Emir will unbedingt seinen Realschulabschluss schaffen, aber richtig Hoffnung auf einen guten Job hat er trotzdem nicht. "Wenn sich für dieselbe Stelle ein blonder Deutscher bewirbt, hab ich eh keine Chance, so ist das doch." Sein Freund Ozan ist sicher, dass es leichter wäre, wenn sie alle in einem besseren Viertel aufgewachsen wären. Und dann erklärt er, dass es hier ziemlich schwer ist, sich Respekt zu verschaffen, wenn man nicht bereit ist, sich zu prügeln. "Aber das hat nichts mit Ausländern zu tun, die Deutschen, die hier aufwachsen, machen das genauso. Das Viertel und der Freundeskreis machen einfach viel kaputt", meint Ozan und Ender nickt. Er hatte neulich selbst mit der Polizei zu tun, weil er mit Freunden in eine Schlägerei geraten ist.

      Wichtig ist, den Jugendlichen eine Perspektive zu geben, sie bei der Jobsuche zu unterstützen. Deshalb engagiert sich der Bund Türkisch-Europäischer Unternehmer (BTEU) in Hannover für jugendliche Migranten. Sie vermitteln Ausbildungsstellen im eigenen Netzwerk und sorgen dafür, dass die Jungen und Mädchen bei der Stange bleiben. "Zwar öffnen sich deutsche Unternehmen langsam auch Bewerbern mit Migrationshintergrund, aber Mittelständler tun sich nach wie vor schwer", sagt Pamir Ivkin vom BTEU. Er besucht regelmäßig Kfz-Azubi Gökay, dem er eine Stelle vermittelt hat. Gökay ist froh, dass er in der Autowerkstatt nicht nur einen tollen Chef, sondern auch nette Kollegen gefunden hat. Deutsche und Türken.

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