• 11.02.2018
      07:45 Uhr
      Schätze der Welt Die Van Nelle Fabrik in Rotterdam, Niederlande | NDR Fernsehen
       

      In Schiedam, einem westlichen Vorort von Rotterdam, steht die Van-Nelle-Fabrik. Der elegante Industriebau aus Glas, Stahl und Beton verkörpert wie das Bauhaus in Weimar die Avantgarde der Klassischen Moderne in der Architektur. Kurz vor ihrer Vollendung im Jahre 1931 feiert Architekturvisionär Le Corbusier die Van-Nelle-Fabrik als "der schönste Anblick der modernen Zeit".

      Sonntag, 11.02.18
      07:45 - 08:00 Uhr (15 Min.)
      15 Min.
      Stereo

      In Schiedam, einem westlichen Vorort von Rotterdam, steht die Van-Nelle-Fabrik. Der elegante Industriebau aus Glas, Stahl und Beton verkörpert wie das Bauhaus in Weimar die Avantgarde der Klassischen Moderne in der Architektur. Kurz vor ihrer Vollendung im Jahre 1931 feiert Architekturvisionär Le Corbusier die Van-Nelle-Fabrik als "der schönste Anblick der modernen Zeit".

       

      Stab und Besetzung

      Regie Willy Meyer
      Autor Willy Meyer
      Redaktion Goggo Gensch
      Silvia Gutmann

      Rotterdam, der größte Seehafen Europas, wurde im Zweiten Weltkrieg fast völlig durch deutsche Bomben zerstört. Heute zeigt sich die Stadt mit spektakulären Bauten, entworfen von Stars der zeitgenössischen Architekturszene. Doch Architekturavantgarde bietet die Seemetropole nicht nur an der Nieuwe Maas. In Schiedam, einem westlichen Vorort, steht die Van-Nelle-Fabrik. Der elegante Industriebau aus Glas, Stahl und Beton verkörpert wie das Bauhaus in Weimar die Avantgarde der Klassischen Moderne in der Architektur. Kurz vor ihrer Vollendung im Jahre 1931 feiert Architekturvisionär Le Corbusier die Van-Nelle-Fabrik als "der schönste Anblick der modernen Zeit".
      Der Industriebau wurde nach dem amerikanischen Vorbild der Daylight Factory konzipiert. Um die Fabrikräume optimal zum Licht hin zu öffnen, fanden neue Techniken Anwendung. Dabei wurden Vorhangfassaden mit durchgehenden Fensterbändern vor eine tragende Konstruktion mit pilzförmigen Stahlbetonsäulen montiert.
      Bis 1995 wurden hier Tabak, Kaffee und Tee verarbeitet. Dann wurde die Fabrik geschlossen. 60.000 Quadratmeter sollten neu genutzt werden. Nachdem die Stadt Rotterdam den Kauf und damit die Verantwortung für die Van-Nelle-Fabrik abgelehnt hat, konnte ihre Zukunft nur durch die Transformation zu einem Ort der Kreativindustrie gesichert werden. Designateliers, Architekturbüros, Kanzleien, Werbe- und Filmproduktionen zogen in den Industriebau ein. Hier zu arbeiten ist Teil ihrer Corporate Identity.
      Der Name Van Nelle geht auf ein Kolonialwarengeschäft zurück, das 1782 in Rotterdam eröffnet wurde. Als die Familie Van der Leeuw das Ruder übernahm, begann mit Plantagengründungen in Niederländisch-Ostindien, dem Handel und der Verarbeitung von Tee, Kaffee und Tabak der Aufstieg zu einem global operierenden Unternehmen. Die Rohstoffe aus Übersee wurden nach Rotterdam verschifft und dort in der Van-Nelle-Fabrik im alten Leuvehaven weiterverarbeitet. Das Geschäft florierte, die Kapazitäten reichten bald nicht mehr aus.
      Der neue Standort liegt an einem großen Kanal in Nachbarschaft zur Bahnstrecke Paris-Amsterdam. Jedes Produkt, ob Tabak, Kaffee oder Tee, erhielt einen eigenen Bereich. Mit der Verwirklichung des Industriebaus profilierte sich Chefarchitekt Leendert van der Vlugt als vielversprechender Protagonist des Neuen Bauens. Dennoch ist die Van-Nelle-Fabrik eigentlich das Projekt des jungen Kees van der Leeuw, der von der Eigentümerfamilie bestimmt wurde, die Verwirklichung in die Hand zu nehmen. Den Jungunternehmer interessierten amerikanische Produktionsmethoden. Er begeisterte sich für moderne Architektur und abstrakte Malerei, war Mitglied der Theosophischen Gesellschaft und Anhänger des spirituellen Lehrers Jiddu Krishnamurti. Mit der Van Nelle Fabrik verfolgt Kees van der Leeuw nichts weniger als ein Gesamtkunstwerk, das die Rationalität industrieller Produktion, die Kunst des Neues Bauens sowie die Suche nach einem ganzheitlichen Menschenbild in sich vereinen soll.
      Der Bau selbst war eine Pionierleistung der Ingenieurskunst. Damit in dem schwammigen Boden ein sicheres Fundament gegründet werden konnte, wurden Tausende über 20 Meter lange Stahlbetonnägel an Ort und Stelle gegossen und dann mithilfe der aus den USA eingeführten Thomson-Dampframme in den Untergrund gestoßen. Auch Pilzstützen aus Stahlbeton, die das Skelett des Industriebaus bilden, waren bis dahin in Europa nicht bekannt. Sie sind mit dem Fußboden vergossen und bilden so eine belastbare Einheit, die Träger für die Decken überflüssig macht. Vorhangfassaden auf beiden Seiten des 17 Meter breiten Industriebaus sorgen für optimalen Einfall des Tageslichts.
      Alle Funktionen sind an dem Gebäude erkennbar. Die Form folgt der Funktion. In den Treppenhäusern schaffen Chrom und Keramik Eleganz. Auch die Ausstattung der Sanitäranlagen, die mit den Tabakschiffen aus den USA ankamen, zeigt: Die Fabrik soll schön sein, die Arbeit darin Freude bereiten.

      Für die Direktoren der Van-Nelle-Fabrik entwarf Hausarchitekt Leendert van der Vlugt auch Villen in der Stadt. Das Sonneveld House ist heute Museum und komplett im Stil der Neuen Kunst gestaltetet. Mittlerweile befindet es sich wieder in dem Zustand, wie es Direktor Bertus Sonneveld mit seiner Familie bezogen hat. Mit Möbeln des Designers Willem Hendrik Gispen, der auch für die Interieurs der Van-Nelle-Fabrik verantwortlich war.

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      Sonntag, 11.02.18
      07:45 - 08:00 Uhr (15 Min.)
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