• 30.01.2015
      23:00 Uhr
      Nachtcafé Gäste bei Michael Steinbrecher | SWR Fernsehen BW
       

      Wie viel Heimat brauchen wir?

      • Malerische Landschaften, Trachtenumzüge oder der Jodelverein: Das Bild von Heimat ist in der modernen Welt für viele angestaubt und eng. Dabei öffnet einem die Globalisierung die Türen zu fremden Kulturen, die technologische Entwicklung macht mobil und unabhängig. Heimat ist heute für viele kein Ort, sondern ein Gefühl.
      • Gäste: Shary Reeves, Rosi Schipflinger, Aynur Boldaz, Ulrich Wolf, Amo Usso, Tom Franz, Wolfgang Kaschuba

      Freitag, 30.01.15
      23:00 - 00:30 Uhr (90 Min.)
      90 Min.
      Stereo

      Wie viel Heimat brauchen wir?

      • Malerische Landschaften, Trachtenumzüge oder der Jodelverein: Das Bild von Heimat ist in der modernen Welt für viele angestaubt und eng. Dabei öffnet einem die Globalisierung die Türen zu fremden Kulturen, die technologische Entwicklung macht mobil und unabhängig. Heimat ist heute für viele kein Ort, sondern ein Gefühl.
      • Gäste: Shary Reeves, Rosi Schipflinger, Aynur Boldaz, Ulrich Wolf, Amo Usso, Tom Franz, Wolfgang Kaschuba

       

      Malerische Landschaften, Trachtenumzüge oder der Jodelverein: Das Bild von Heimat ist in der modernen Welt für viele angestaubt und eng. Dabei öffnet einem die Globalisierung die Türen zu fremden Kulturen, die technologische Entwicklung macht mobil und unabhängig. Heimat ist heute für viele kein Ort, sondern ein Gefühl. Mit dem Wegfall des Gewohnten wächst jedoch auch der Wunsch nach regionaler Verankerung. Die Unsicherheit vor fremden Einflüssen nimmt zu gerade in Zeiten, in denen viele Flüchtlinge auf der Suche sind nach einer neuen Heimat in Europa. Hat es Sinn ein Heimatgefühl zu verteidigen, das es so vielleicht gar nicht mehr gibt oder ist es an der Zeit für eine weltoffene Gesellschaft, sogar mit allen Kultur- und Glaubensrichtungen? Wie viel Heimat brauchen wir? Darüber spricht Michael Steinbrecher mit seinen Gästen in der Sendung "Nachtcafé".

      • Die Moderatorin Shary Reeves trägt eine tiefe Sehnsucht nach Heimat in sich. Als Kind afrikanischer Eltern in Deutschland geboren, wuchs sie in einer Kölner Pflegefamilie auf. Ein Hort der Geborgenheit, aus dem sie jedoch mit sechs Jahren herausgerissen wurde. Seitdem fühlt sich die 39-Jährige heimatlos: Schon von klein auf wurde ich mit meiner Hautfarbe konfrontiert und machte oft die Erfahrung, nirgends richtig dazuzugehören.

      • Rosi Schipflinger lebt seit 71 Jahren auf dem Sonnberg bei Kitzbühl. Seit den 60er Jahren betreibt sie hier ihre berühmte Pension, in der es sich Bauersleute aus dem Dorf und bekannte Persönlichkeiten gemeinsam gutgehen lassen. An einem anderen Ort zu leben, kann sich die Wirtin nicht vorstellen: Heimat ist für mich der Ort, an dem man geboren ist. Heimat ist mein Lebenselixier."

      • Aynur Boldaz wurde als Tochter eines Ziegenhirten in Ostanatolien geboren. Mit 18 Jahren kam sie nach Berlin, um einen Türken zu heiraten. Das Leben in Deutschland ohne ein Wort deutsch zu sprechen ein Kulturschock, den sie erst überwinden konnte, als sie sich aus ihrem Kulturkreis löste und sich ihrer neuen Heimat annäherte. Heute leitet die 46-Jährige ihr eigenes Unternehmen und ist angekommen: Ich liebe dieses Land über alles und bin typisch deutsch.

      • Ulrich Wolf fühlt sich seiner Wahlheimat Dresden eng verbunden. Seit 25 Jahren wohnt der gebürtige Rheinländer in der Stadt an der Elbe. Ich bin hier tief verwurzelt. Ich arbeite hier, ich lebe hier, ich liebe hier , sagt der Journalist. Mit Sorge beobachtet er die Pegida-Bewegung, über die er seit Monaten berichtet. Ich weiß, dass Dresden kein Ort voller Ausländerhasser ist. Es macht mich wütend zu sehen, wie die Demonstranten dem Image der Stadt schaden.

      • Amo Usso musste seine Heimat Syrien verlassen. Als jesidischer Kurde verlor er nahe Verwandte im Bürgerkrieg. Gemeinsam mit seiner Mutter floh Usso, ohne zu wissen, wohin ihn der Weg führen würde. Die Flucht endete in Mainz, wo der 22-Jährige seit drei Jahren lebt. Er hofft, sich hier eine neue Heimat aufbauen zu können. Ein Philosoph hat mal gesagt: Heimat ist dort, wo man sich wohlfühlt. Und ich fühle mich hier wohl , sagt Usso.

      • Schon während der Schulzeit war Tom Franz fasziniert vom jüdischen Glauben und von Israel. Vor zehn Jahren traf er eine grundlegende Entscheidung für sein Leben: Er wanderte aus und konvertierte zum Judentum. Schnell fand der 41-Jährige Anschluss und fühlte sich angenommen. Mehr noch: Seit dem Gewinn eines Koch-Wettbewerbs im Fernsehen ist er ein Medienstar in Israel. Trotzdem sagt er: In Israel bin ich zuhause, Deutschland bleibt meine Heimat.

      • Der Kulturwissenschaftler Prof. Dr. Wolfgang Kaschuba beschäftigt sich seit mehr als 30 Jahren mit dem Thema Heimat. Als Sohn von vertriebenen Sudetendeutschen wuchs er als Kind in der Fremde auf. Für den 65-Jährigen ist Heimat ein sehr zwiespältiger Begriff: Heimat steht für Sicherheit, Vertrautheit und Nähe. Aber Vertrautheit ist auch Kontrolle, Nähe ist auch Enge und kann erstickend wirken.

      Das Nachtcafé ist keine Arena für Exhibitionisten und Voyeure. Zynismus und Krokodilstränen haben keinen Platz, wohl aber Menschen aller Art, die den Zuschauern etwas zu erzählen haben.

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