• 15.11.2015
      11:10 Uhr
      Der Tick als Kunst Ein Film von Julia Benkert | hr-fernsehen
       

      Pascal Tassini, der Knotenmann, Yayoi Kusama, die Königin der Punkte: Sie folgen fremden und rätselhaften Dämonen. Ihre Werke sind aufgeladen mit geheimen Botschaften. Botschaften, die faszinieren und irritieren und die danach rufen, entschlüsselt zu werden. In Amerika, Japan und Europa hat Filmemacherin Julia Benkert sie entdeckt: sechs herausragende Meister, die ihren Tick zur Kunst gemacht haben.

      Sonntag, 15.11.15
      11:10 - 11:55 Uhr (45 Min.)
      45 Min.
      Stereo

      Pascal Tassini, der Knotenmann, Yayoi Kusama, die Königin der Punkte: Sie folgen fremden und rätselhaften Dämonen. Ihre Werke sind aufgeladen mit geheimen Botschaften. Botschaften, die faszinieren und irritieren und die danach rufen, entschlüsselt zu werden. In Amerika, Japan und Europa hat Filmemacherin Julia Benkert sie entdeckt: sechs herausragende Meister, die ihren Tick zur Kunst gemacht haben.

       

      Pascal Tassini, der sympathische Knotenmann, ist der Star im belgischen Atelier Créahm - und der Star dieses Films. Pascal Tassini spricht mit den Händen und ist damit so geschickt wie ein Zauberkünstler. Worte fallen ihm schwer. Unermüdlich knotet er Stoffstreifen zu knäuelförmigen Objekten. Im Inneren der Objekte versteckt er seine Schätze. Mit viel Glück bekommt man einen davon zu sehen, einen goldenen Bischofsstab etwa. Seit einiger Zeit knotet Pascal Tassini auch Kopfbedeckungen für seine künftige Braut. Diese Objekte sind mysteriös und kolossal. Tassini will heiraten und seine Ausdauer in Herzensdingen ist unendlich.

      Ebenso unermüdlich ist die Japanerin Yayoi Kusama, die Königin der Punkte. 83 Jahre ist sie alt. Ein Leben lang leidet sie unter Halluzinationen. Schon als junge Frau sah sie dieses merkwürdige Netz vor sich, von dem Teile verborgen blieben. Seitdem malt sie Punkte. Um sich vor ihren Wahnvorstellungen zu schützen, entwickelt sie ihre Technik der Selbstauslöschung. Sie bemalt Räume und Körper mit Punkten, auch sich selbst. Die Punkte helfen ihr zu überleben - die Punkte machen sie weltberühmt. "Wenn ich eines Tages alt und krank und tot bin in 200 oder 500 Jahren, möchte ich immer noch Bilder malen" sagt sie, "auch wenn ich wiedergeboren werde, möchte ich Künstlerin sein, wieder und wieder."

      George Widener, das Zahlengenie, lebt zurückgezogen in North Carolina. Er kann Kalenderdaten sehen, verschiebt und überlagert sie zu eigenwilligen Mustern. Lange hat er seine Spielereien versteckt, besonders in der Zeit, als er auf der Straße lebte. Heute muss er das nicht mehr. Seine Kunst ist begehrt. Obwohl er sie gar nicht für Menschen macht, sondern für die Maschinen der Zukunft. Widener ist überzeugt, dass 2045 intelligente Maschinen die Macht übernehmen werden, und diese Maschinen, so hofft er, endlich seine Spielereien verstehen werden. Um das zu erleben, schläft er nachts unter einem Sauerstoffzelt mit Höhenluft. Sein persönliches Anti-Aging-Programm.

      Auch Hans-Jörg Georgi im Atelier Goldstein in Frankfurt sorgt sich um die Zukunft. Aus Pappe baut er ein riesiges Luftschiff, um darin die Menschheit zu evakuieren. Eine Arche Noah. Für alles hat er vorgesorgt. Es gibt einen eigenen Sexuellkabinenraum, eine Taufkabinenstation und natürlich Pepsi Cola.

      Für Julia Krause-Harder ist der Schlüssel zur Welt eine Kurve mit einer ganz besonderen Krümmung. Solche Bögen hat sie zum Beispiel im arabischen Alphabet entdeckt. Damals fing sie an, wie besessen Arabisch zu lernen. Vor vier Jahren fand sie diese Formen wieder - diesmal in der Wirbelsäule des Tyrannosaurus Rex. Seitdem baut sie imposante Stoff- und Metall-Dinosaurier, Hunderte davon. "Sie könnte Dinosaurier stricken, sie könnte sie kochen, wahrscheinlich könnte sie Backformen entwerfen und daraus Dinosaurierkuchen backen", erzählt begeistert Christiane Cuticchio, die Leiterin des Ateliers Goldstein, "sie ist eine absolute Materialbeherrscherin."

      Wer sich tatsächlich brennend für Gebäck interessiert, es aber nie anrührt, ist Inga Moijson, die Luftesserin aus Belgien. Immer wieder malt sie buntes Zuckergebäck und Figuren mit hungrigen Augen. Ein beunruhigender Kosmos, bevölkert von kleinen Mädchen. Eine Welt, die ihr das Unterbewusstsein diktiert, sagt sie. Moijson selbst rührt Süßes nicht an, sie scheint sich allein von Luft und Farben zu ernähren. "Ein bestimmtes Hungergefühl", sagt sie, "das gibt Kraft und erzeugt so was wie Verlangen. Genau, ein Verlangen, danach zu leben." Dieses Verlangen zu leben, allen Widrigkeiten zum Trotz - vielleicht ist es das, warum ihre Werke so berühren. Der Knotenmann, die Königin der Punkte, die Luftesserin, das Zahlengenie, die Kurvenfrau, der Weltenretter - sie alle fügen der Wirklichkeit etwas Sternenstaub hinzu.

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      Sonntag, 15.11.15
      11:10 - 11:55 Uhr (45 Min.)
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