Verweichlicht, verzogen, disziplinlos - steht das für den Nachwuchs von heute? Viele Eltern sind verunsichert. Fest steht: Alle wollen nur das Beste für ihre Kinder, doch mit welchem Erziehungsstil?
Verweichlicht, verzogen, disziplinlos - steht das für den Nachwuchs von heute? Viele Eltern sind verunsichert. Fest steht: Alle wollen nur das Beste für ihre Kinder, doch mit welchem Erziehungsstil?
Stab und Besetzung
Moderation | Wieland Backes |
Manche Familien sehen in der antiautoritären Erziehung den richtigen Weg, sie schwören auf Freiheit und Lustprinzip als Basis für selbstbewusste und glückliche Persönlichkeiten. Andere Eltern sehen die Antwort in der energischen Strenge und strikten Förderung ihrer Kinder - durch Drill und Disziplin, vom Kreissaal direkt in die Frühförderung.
Selbst Experten streiten sich darüber, welchen Einfluss die Erziehung auf einen späteren Erfolg im Leben hat. Die meisten warnen auf jeden Fall vor zu viel Druck, doch auch zu wenig Anleitung ist fatal: Der übertriebene Schutz vor den Anforderungen des Lebens mache Kinder lebensuntüchtig. Sind unsere Kinder tatsächlich verweichlicht, und wenn ja, was ist das richtige Maß an Disziplin, damit aus den lieben Kleinen robuste und einfühlsame, starke und empathische Erwachsene werden, die ihr Leben meistern?
Die Gäste:
Mit seinem "Lob der Disziplin" wurde er über Deutschland hinaus bekannt: Bernhard Bueb, der ehemalige Schulleiter des Elite-Internats Schloss Salem. Der 72-Jährige gilt als strenger Verfechter von klaren Regeln und kindlicher Unterwerfung unter der elterlichen Autorität. Er sagt: "Eltern sollten nur die wirklich gute Leistung loben, denn auch im späteren Leben zählt nicht das Mittelmaß, sondern nur die Perfektion."
Bei solchen Sätzen sträuben sich bei Ulrike Hartmann die Nackenhaare. Die Mutter von zwei Kindern beklagt in ihrem Buch "Mutterschuldgefühl" genau diesen Druck, der auf die heutige Elterngeneration ausgeübt wird, das Kind bestmöglich zu erziehen. Den Fokus auf die Leistung der Kinder zu legen, hält sie für grundlegend falsch: "Von diesem Druck profitieren nur eine riesige Ratgeberindustrie und Anbieter privater Bildungsangebote", so die 45-Jährige.
"Jeder sollte das Beste aus seinen Möglichkeiten rausholen", ist dagegen die dreifache Mutter Astrid Nelke überzeugt. Nach entsprechender Frühförderung sprechen alle ihre Kinder fließend Englisch, spielen ein Instrument und sind selbstverständlich im Sportverein aktiv. Das verlangt eine gute Portion Disziplin, sagt die 42-jährige Berlinerin, die zu ihrem Ehrgeiz steht: "Nur wer sich unter Anstrengung etwas erarbeitet, ist stolz und kann sein Selbstbewusstsein entwickeln."
Von Disziplin um ihrer selbst willen hält Prof. Peter Fauser rein gar nichts. Der Erziehungswissenschaftler aus Jena lehnt die Erziehung zum fehlerfreien Funktionieren mit dem Ziel der Höchstleistung ab: "Das ist unmenschlich und fernab jeglicher Individualität!" Zu Zeiten, in denen Kinder vermehrt über Leistungsdruck klagen und bereits Schüler ausbrennen, gelte es vielmehr, wieder die ureigene kindliche Motivation zum Lernen zu stärken.
Damit spricht er dem 19-jährigen Philip Blank aus der Seele. Der Sohn aus gutem Hause besuchte stets Privatschulen, zuletzt ein Eliteinternat im englischen Ellesmere. Dort bestimmten Appelle, Pünktlichkeit und Strenge im besonderen Maße den Tagesablauf. Nichts für Philip, den das nur demotivierte und lustlos machte. Fazit: Er kam ohne Schulabschluss zurück nach Hause. "Zukunftsängste habe ich nicht. Ich bin sicher, aus mir wird trotzdem was!"
Jammern ist nicht ihre Stärke. Als zarte 13-Jährige kam Sunok Lee aus Südkorea nach Wien, studierte Geige und baute parallel in fünf Jahren die Matura. "In dieser Zeit hatte ich nur drei Stunden Schlaf pro Nacht, doch wer Ziele hat, muss auch leiden können", sagt die streng aber liebevoll erzogene Ausnahmeviolinistin. Über viele europäische Eltern kann sie sich derweil nur wundern. "Viele Kinder haben zu viele Freiheiten, Kinder jedoch brauchen klare Führung."
Diese Erkenntnis hat Sabine Göwert, Mutter von vier temperamentvollen Kindern, mittlerweile auch. Besonders ihre achtjährigen Zwillinge tanzten ihr lange auf der Nase herum, und auch aus der Schule kamen Klagen. Zur Rede stellen ließen sich die beiden Störenfriede nie, stattdessen gab es ewige Diskussionen. Die entnervte Mutter wandte sich schließlich an einen Kinderpsychiater, der ihr schonungslos die Augen öffnete. Für sie ein Schock: "Wer hört schon gerne, dass man selber der Fehler ist?"
programm.ARD.de © rbb | ARD Play-Out-Center || 30.03.2023