• 22.05.2017
      18:30 Uhr
      TELEKOLLEG Deutsch (9) Lyrik heute | ARD alpha
       

      Nach dem Zweiten Weltkrieg suchten Dichter nach einer neuen, zeitgemäßen Sprache. Doch die berühmte „Stunde Null“, in der alles neu beginnt, gab es auch in der Lyrik nicht. Vielmehr war sie geprägt von einer Mischung aus Bruch und Kontinuität.

      Montag, 22.05.17
      18:30 - 19:00 Uhr (30 Min.)
      30 Min.

      Nach dem Zweiten Weltkrieg suchten Dichter nach einer neuen, zeitgemäßen Sprache. Doch die berühmte „Stunde Null“, in der alles neu beginnt, gab es auch in der Lyrik nicht. Vielmehr war sie geprägt von einer Mischung aus Bruch und Kontinuität.

       
      • Lyrik nach 1945: Die verstörenden Erfahrungen von Krieg und Nationalsozialismus bestimmten die deutschsprachige Nachkriegslyrik nachhaltig. Die einen – vorwiegend die Dichter der so genannten "inneren Emigration" wie Albrecht Goes (1908 – 2000), Friedrich Georg Jünger (1898 - 1977) und Gertrud von Le Fort (1876 - 1971), Elisabeth Langgässer (1899 - 1950) – traten nun erst Recht die Flucht vor der Wirklichkeit an und zogen sich auf eine romantisierende Naturpoesie und den Kult der Innerlichkeit zurück (vgl. Beutin S.532 und 542ff.). Für die anderen waren die Konzentrationslager und der Holocaust die einzig bestimmende Wirklichkeit, die aber kaum mehr in Worte zu fassen war – dies gilt vor allem für die Lyrik Paul Celans (1920 – 1970) und Nelly Sachs (1891 - 1970). Ihre Lyrik wird daher häufig als "hermetisch" bezeichnet.

      • Lyrik der 1950er und 1960er Jahre: Der Einfluss von Gottfried Benn ließ schließlich Mitte der 50er Jahre nach und die Lyrik wandte sich allmählich von der monologisierenden sprachmagischen Dichtung, die ihre eigene Wirklichkeit schafft, weg und wieder der realen Welt zu. Viele Dichter der jetzt sich durchsetzenden literarischen Moderne gehörten der Gruppe 47 an, in der jegliches Pathos als verdächtig galt und eine neue Sachlichkeit gefragt war. Vergangenheitsbewältigung und konkrete Gegenwartskritik prägten diese neue lyrische Bewegung, die sich zunehmend als politisch verstand und keine "Inhalte" mehr ausschloss:

      "Das Gedicht ist schon insofern ein Politikum, als es nicht die gewöhnliche Sprache spricht. Natürlich kann das Gedicht von allem reden. Es kann ebensogut von Politik reden wie von Staubsaugern und Nachtigallen", so Hans Magnus Enzensberger (Jahrgang 1929) in den frühen 60er Jahren. In den Gedichten von Enzensberger, Peter Rühmkorf (1929 - 2008), Günter Grass (geb. 1927) machte sich die zunehmend politisierte Realität und der Protest breit, insbesondere seit dem Vietnamkrieg. Der Ton dieser engagierten Gedichte orientierte sich nun eher an Brecht als an Benn. Einen Höhepunkt der politischen Lyrik bildet das Werk von Erich Fried (1921 - 1988), z.B. Die Drahtzieher oder Gewalt. Je stärker die Lyrik der 68er-Bewegung politisierte und protestierte, desto größer wurde der Generalverdacht gegen die lyrische Form und ihre Gesetze. Trotzdem dürfe man hier nicht von einem Ende der Lyrik reden, erklärt Prof. Georg Braungart. Die Sprachspiele, Sprachakrobatik und der poetische Ton, etwa Erich Frieds, zeige, dass sich all diese Reaktionen gegen die traditionellen Formen der Lyrik noch explizit der poetischen Sprache bediene.

      Eine ganz andere Art der Auseinandersetzung mit der Tradition bildete sich in den 60er Jahren heraus, die "Konkrete Poesie". "Darunter versteht man die Bewegung, die von der Sprache als dem eigentlichen Material des Gedichts ausgeht und auf das phonetische Potenzial setzt", erläutert Prof. Georg Braungart. Die "Konkrete Poesie", die durch Ernst Jandl (1925 – 2000) – etwa in dem Band Laut und Luise (1966) – und Eugen Gomringer (Jahrgang 1925) 33 Konstellationen (1960) populär wurde, lebt von der Performance, der Aufführung. Das wird schlagartig deutlich, wenn man das Gedicht von Ernst Jandl "Im Reich der Toten" laut liest.

      • Lyrik der 1970er Jahre: In der Lyrik der 70er Jahre treten das "Ich" und die subjektive Wahrnehmung der alltäglichen Gegebenheiten in den Vordergrund, als "Alltagslyrik" und Poetik der "Neuen Subjektivität" wurde sie bezeichnet. Vertreter dieser Bewegung waren so kontroverse Gestalten wie Rolf Dieter Brinkmann (1940 – 1975, beispielhafte Werke: Gras 1970, Westwärts 1 & 2, 1975) und Nicolas Born(1937 – 1979). Brinkmann war ein Fan der amerikanischen Beat- und Popliteratur und brachte einige erfrischend unkonventionelle Elemente in die deutsche Lyrikszene ein, wie der Anfang seines Gedichts Weit entfernte Sachen zeigt.

      • Lyrik heute: In den 1980er und frühen 1990er Jahren dümpelte die Lyrik etwas vor sich hin, kaum ein deutschsprachiger Dichter erreichte ein größeres Publikum. Durs Grünbein, der 1995 mit 33 Jahren für sein reiches poetisches Werk den Büchnerpreis erhielt, war eine Ausnahme, die diese Regel nur bestätigt .

      Eine ganz andere, lebendige Art der Poesie ist der "Poetry Slam" (zu deutsch: Dichterwettbewerb). Als Erfinder des literarischen Vortragswettbewerbs gilt der Amerikaner Marc Kelly Smith. Ausgehend von Chicago verbreitete sich poetry slam in den 90er Jahren weltweit. Alltagslyrik, Selbstbespiegelung und Protest sind Gegenstand der Texte, die nicht mehr einfach gelesen, sondern von Profis und Amateuren virtuos artikuliert, aufgeführt, gefeiert und sinnlich erlebt werden. Auch im deutschsprachigen Raum gibt es inzwischen zahlreiche, regelmäßig stattfindende Poetry Slams.

      Wie ist es heute um die traditionelle Lyrik bestellt? Einer der vielseitigsten unter den deutschsprachigen Gegenwartsliteraten, ist Raoul Schrott (Jahrgang 1965). Er ist Lyriker, Essayist, Romancier und Übersetzer und hat sich wie kaum ein anderer dafür eingesetzt, dass die Poesie lebendig bleibt.

      Hier geht es endlich um das altehrwürdige Medium des Gutenbergzeitalters, das Buch, und zwar speziell um die "schöne Literatur". Wie haben unsere prominenten literarischen Meister, die großen Dichter, Schriftsteller und Kritiker unsere Welt geprägt, kritisiert und erweitert? Das zweite Trimester gibt in den letzten dreizehn Sendungen einen vertieften Einblick in die literarischen Welten von gestern und heute. Klassische und moderne Dramen, gebundene und freie Lyrik, Romane des 19. und des 20. Jahrhunderts werden exemplarisch analysiert und in ihrem gesellschaftlichen und historischen Kontext reflektiert. Am Ende dieses Moduls steht das "kreative Schreiben" - Tipps und Anleitungen, wie wir uns selbst als Literaten in unsere Mediengesellschaft einmischen können.

      Die Lebenswege der Menschen unterscheiden sich ganz erheblich. Oft stehen unvorhersehbare Hürden einer geradlinigen Schulausbildung im Wege. Aber eine fundierte Ausbildung ist als solide Basis für ein erfülltes Berufsleben wichtig. Das Telekolleg eröffnet Ihnen die Möglichkeit, Wissen aufzufrischen oder staatlich anerkannte Schulabschlüsse nachzuholen - auch später und neben Job und Familie.

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