• 29.05.2016
      08:45 Uhr
      Deutsche Lebensläufe: Wilhelm Busch Kulturmatinée | SWR Fernsehen RP
       

      Kaum ein Kind, das nicht mit den Streichen von Max und Moritz und ihrem grausamen Ende aufgewachsen ist. Nach Luther und vielleicht noch vor Goethe hat kein anderer so tief das Bewusstsein der Deutschen geprägt wie Wilhelm Busch. Wilhelm Busch ist ein wirklicher Klassiker geworden, und das ausgerechnet als komischer Autor und Zeichner. Und mit Komik ist nicht ein feinsinniger "schwarzer Humor" oder ähnliches gemeint, sondern eine ganz und gar bedenken- und geschmacklose, kaltblütige, ohne Mitgefühl und Hintersinn auf den Bauch als das Zentrum der Lachlust zielende Komik.

      Sonntag, 29.05.16
      08:45 - 09:30 Uhr (45 Min.)
      45 Min.
      Stereo

      Kaum ein Kind, das nicht mit den Streichen von Max und Moritz und ihrem grausamen Ende aufgewachsen ist. Nach Luther und vielleicht noch vor Goethe hat kein anderer so tief das Bewusstsein der Deutschen geprägt wie Wilhelm Busch. Wilhelm Busch ist ein wirklicher Klassiker geworden, und das ausgerechnet als komischer Autor und Zeichner. Und mit Komik ist nicht ein feinsinniger "schwarzer Humor" oder ähnliches gemeint, sondern eine ganz und gar bedenken- und geschmacklose, kaltblütige, ohne Mitgefühl und Hintersinn auf den Bauch als das Zentrum der Lachlust zielende Komik.

       

      Kaum ein Kind, das nicht mit den Streichen von Max und Moritz und ihrem grausamen Ende aufgewachsen ist. Kaum ein deutscher Bücherschrank, in dem nicht seine Gesammelten Werke stehen. Und kaum eine Festtagsrede, die sich nicht wenigstens eines Zitats bedienen würde - aus jenen humoristisch-moralisierenden Bildergeschichten wie Hans Huckebein, Junggeselle Knopp oder Die fromme Helene. Nach Luther und vielleicht noch vor Goethe hat kein anderer so tief das Bewusstsein der Deutschen geprägt wie Wilhelm Busch.

      "Vater werden ist nicht schwer, Vater sein dagegen sehr", "Wer Sorgen hat, hat auch Likör" oder "Das Gute, dieser Satz steht fest, ist stets das Böse, was man lässt" - solche "vom Leben geglühten, mit Fleiß gehämmerten" Busch-Sätze sind längst in den Sprichwortschatz der deutschen Sprache eingegangen, ohne dass der Verfasser noch erinnert würde. "Wie wollte man den deutschen Humor definieren, wenn es Wilhelm Busch nicht gegeben hätte?", fragt Tomi Ungerer, und Albert Einstein hat geurteilt: "Außer vielleicht Lichtenberg hat es keinen Ebenbürtigen in deutscher Sprache gegeben".

      Wilhelm Busch ist ein wirklicher Klassiker geworden, und das ausgerechnet als komischer Autor und Zeichner. Und mit Komik ist nicht ein feinsinniger "schwarzer Humor" oder ähnliches gemeint, sondern eine ganz und gar bedenken- und geschmacklose, kaltblütige, ohne Mitgefühl und Hintersinn auf den Bauch als das Zentrum der Lachlust zielende Komik, die "alles niedermacht, was den Zeitgenossen heilig war: die Ehe, die Kirche, den Sinn des Lebens, die Erziehung, den gepflegten Suff und die holde Kunst" (Robert Gernhardt).

      Dabei hat sich Busch lebenslang eher als Versager gesehen denn als ein Erfolgsmodell. Als Maler war er gescheitert, Junggeselle ist er geblieben, und statt in einer pompösen Künstlervilla lebte und starb er in einem kleinen Zimmer in der hintersten niedersächsischen Provinz. Der volksnaheste aller Schriftsteller war ein Mensch, der doch immer nur versucht hat, sich vom Volk abzusondern. Dennoch, wie hat Wilhelm Busch das nur geschafft: kleinlich-verlogenes Verhalten, klerikale Bigotterie, unmenschliche Erziehungsgrundsätze so boshaft und schonungslos wie kein anderer seiner Zeitgenossen darzustellen und sich dabei doch nicht seine Lesergemeinde, der er gerade den Spiegel vorhält, zum Feind zu machen?

      Über 140 Jahre lang gelingt es ihm schon, komisch zu bleiben, und das "mit einer Furcht einflößenden Perfektion", meinte F. Bernstein. Auch auf zeichnerischem Gebiet ist Busch ein Revolutionär. Er hat das, was man heute Comic nennt, recht eigentlich erfunden. Wie er Bild und Text verbunden hat, ist bis heute vorbildlich und unübertroffen.

      Zugleich hat Buschs Werk auch eine tiefe philosophisch-moralische Dimension. Arthur Schopenhauer hat er leidenschaftlich gelesen und geliebt, und dessen Philosophie vom "Willen zum Leben", der alles und jeden erfüllt, bis zum kleinsten Atom - die berühmte "Tücke des Objekts" -, ist aus fast jeder seiner Geschichten herauszulesen. Sein Werk ist ein Spiegel des 19. Jahrhunderts "en miniature": etwa beim Thema Erziehung - als Dressur, beim bürgerlichen Selbstbewusstsein in der Bismarckschen Reichsordnung oder beim Künstler als gescheitertem Gegenmodell.

      Ein Film von Harald Woetzel

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