Themen u.a.:
Die Zahl der Übergriffe auf Flüchtlingsunterkünfte ist in den letzten Monaten rasant angestiegen. Besonders Brandanschläge können Menschenleben kosten. Trotzdem werden die Täter in mehreren Fällen nicht wegen versuchten Mordes angeklagt.
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Die Zahl der Übergriffe auf Flüchtlingsunterkünfte ist in den letzten Monaten rasant angestiegen. Besonders Brandanschläge können Menschenleben kosten. Trotzdem werden die Täter in mehreren Fällen nicht wegen versuchten Mordes angeklagt.
Die Zahl der Übergriffe auf Flüchtlingsunterkünfte ist in den letzten Monaten rasant angestiegen. Besonders Brandanschläge können Menschenleben kosten. Trotzdem werden die Täter in mehreren Fällen nicht wegen versuchten Mordes angeklagt.
Es hätte tödlich ausgehen können: Am 3. Oktober 2015 schwelt ein Brand im Dachstuhl eines Wohnhauses in Altena im Sauerland. Gerade erst sind in dem Haus sieben Asylbewerber aus Syrien eingezogen. Nachbarn bemerken das Feuer und bringen die Flüchtlinge in Sicherheit. Der Brand kann rasch gelöscht werden. Ein Brandsachverständiger wird später feststellen, dass auf dem Dachboden an zwei Stellen Feuer gelegt wurde.
Die beiden mutmaßlichen Täter sind dafür wegen gemeinschaftlicher schwerer Brandstiftung angeklagt. So sieht es die Staatsanwaltschaft. Doch das Gericht sieht das anders. Die 4. Große Strafkammer des Landgerichts übergab die Akten des Falls an das für Mordprozesse zuständige Schwurgericht. Die Kammer stützte ihre Entscheidung dabei unter anderem auf ein Ergänzungsgutachten des Brandsachverständigen, das WESTPOL vorliegt. Demnach geht der Sachverständige davon aus, dass bei dem Brand durchaus das Leben der Bewohner gefährdet war. Das Gericht hält deshalb - anders als die Staatsanwaltschaft - eine Verurteilung wegen versuchten gemeinschaftlichen Mordes in sieben Fällen für wahrscheinlicher. Jetzt muss das Schwurgericht entscheiden, ob es das Hauptverfahren eröffnet.
Auch in Porta-Westfalica müssen sich zwei Männer wegen einer ähnlichen Tat vor Gericht verantworten. Ihnen wird vorgeworfen, einen Brandsatz gegen die Fassade einer mit 37 Menschen bewohnten Flüchtlingsunterkunft geworfen zu haben. Für den Anwalt der Opfer ist klar: Das war versuchter Mord. Aber auch hier hat die Staatsanwaltschaft Anklage wegen gemeinschaftlicher schwerer Brandstiftung erhoben, nicht wegen versuchten Mordes.
Das zurückhaltende Verhalten der Staatsanwaltschaft sei ein verheerendes Signal, findet Timo Reinfrank von der Berliner Amadeu-Antonio-Stiftung. "Das Hauptproblem ist, dass sich Nachfolgetäter ermutigt fühlen", erklärt Reinfrank. Bei der Berliner Stiftung werden bundesweit alle Übergriffe auf Flüchtlingswohnheime dokumentiert. Demnach hat es im vergangenen Jahr in NRW 15 politisch motivierte Brandanschläge gegeben. Allein im Januar 2016 waren es schon mindestens neun.
"Wir erleben, dass seit Sommer 2015 die Gewalt gegen Flüchtlinge zunehmend eskaliert. Es gibt mittlerweile kein Wochenende, wo's nicht Übergriffe gibt", erklärt Timo Reinfrank von der Amadeu-Antonio-Stiftung. Er fordert neben einer konsequenten Strafverfolgung im Bereich Brandstiftung auch die Schaffung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften, die sich mit Hassverberechen beschäftigen. "Die dann auch im Vorfeld gucken, was in den sozialen Netzwerken an Strafverfolgung möglich ist", so Reinfrank. Denn auch dort würden sich heutzutage Einzeltäter radikalisieren.
Viele Täter kommen laut Reinfrank aber aus der rechtsextremen Szene. Und diese Szene sei derzeit unter einem großen Erfolgsdruck. "Aus den 1990er Jahren wissen wir, dass sich diese rechtsextreme Bewegung irgendwann in Wählerstimmen niederschlägt. Das wird dann nicht die NPD sein, aber vielleicht die AfD", so Reinfrank.
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